9. November


Moin! Ein Jahr is das nu her, dasse da drüben den Laufstall aufgemacht ham. November '89, da sind sich die Fritzen noch inne Arme gefallen wie die Jungverliebten, ja, bloß inne Hochzeitsnacht ham die Wessis dann gemerkt, dasses da vorne und hinten nich stimmt. Pech, nich?

Ja, was ham se auch dies beknackte Grundgesetz, das ja wien Eheversprechen, die mußten die abgewrackte Tussi ja heiraten, Wiedervereinigung. An'n 9. November wollt das noch keiner wahrham. Das wie bein Feuerwehrfest in Plattengülle. Du hass meintwegen ordentlich Korn gebunkert, da krault dir Nachbars Meta den Nacken. Meta kennst du seit 40 Jahn, hat sich auch nich viel getan in den vierzig Jahn bei ihr, ich mein, so investitionsmäßig, haupsächlich, weil ihr Alter die ganzen Kracher bei Gustav versoffen hat, jen Abend. So, un nu krault dir Meta ann Kopp rum. Irgendwie bistu natürlich geschmeichelt, weil der letzte Kopfkontakt, den du hattest, das war der niedrige Balken in'n Kälberstall letzten Sonntag, wo du so blau wars von Abend davor. — Also, alles assrein, bis sich rausstellt, daß Meta gar nich mehr zurückwill zu ihm Alten.

So, das hatten sich die Wessis auch anners gedacht an 9. November. Geil, ham die gedacht. Grenze is auf, können wir womöglich bald unsen Sondermüll zu den Ostköppe hinbringen. Oder die Blindis da machen für uns den Atomstrom fertig, dafür kriegen se auch nen neuen 4-Takt-Motor für die spuckenden Pappautos. Ja, und wenn se ganz brav sind, dürfen se auch für uns die Dachlattenmöbel zusammenkloppen, für echte Westpenunzen. Kurz: Jeder hat doch gedacht an 9. November 1989: Assrein, da reißen wir uns billig ne Dauernutte auf. Die Bundesrepublik macht ihr das schäbige Zimmer in den kaputten Ostblock nen büschen netter, dafür läßt die mit sich machen, was der Wessi will. Weißtu, die ganzen Perversionen, die hier nich mehr laufen. Hähnchengrillen im Zwischenlager oder Leute tot machen durch Ersticken. Mann, war das nen Spaß geworn. Aber Banane! Dauert nich lange, da sagt die Zone, sie will uns heiraten. Au Scheiße, Mann!

Ja, un nu is passiert. Hoffentlich bleibt die Ehe wenigstens kinderlos, daß uns nich noch bald son lütten Schlesier zwischene Beine rumläuft.

Munter bleiben!


Autor: Dietmar Wischmeyer / FRÜHSTYXRADIO