Klassiker


Wenn du den aktuellen Katalog, der lieferbaren Motorräder durchblätterst denkst du ja auch, du stehst im Pupsimarkt vorm Tütensuppenregal. Nur wenn man ganz genau hinkuckt kann man das Motorrad noch durchkennen. Die einen nu kaufen sich trotzdem so ne modernistische Feile und decken abends aufm Bürgersteig ne Plane drüber, daß da keine kleinen Kinder Dreck dranschmeißen vor Ekel.

Die andern besorgen sich aufm Teilemarkt nen Eimer rostige Schrauben und ne fotokopierte Reparaturanleitung und glauben, sie hätten einen sogenannten Klassiker gekauft. Da häng se nu in ihre Garage, würgen mit Drehmomentschlüsseln an abgegnabbelten Muttern rum und sprühen sich Caramba in die Kimme, wenn se nach zwölf Stunden Maloche nich mehr ausse Hüfte kommen. An jedem Wochenende fahn se nachn Teilemarkt hin und kaufen sich fürn schweine Geld sogenannte Originalteile aus Taiwan. 200 Kracher für die Gummidichtung mit dem Reichsadler drauf, scheiß egal, und da hinten is noch nen original Spreichennippel aussn Dreizigjährigenkrieg - zack geht der tausie übern Tisch. So cirka drei bis vier Jahre friemelt der Fertige inner Garage an seiner Ötzifeile, bis se so aussieht, wie aussn Laden. Dann stellt er 125 DKW oder NSU MAX zwischen seine Stiefmütterchen in Garten und macht 600 Fotos von dem Teil, die läßt er sich alle bei Rossmann für 99 Pfennig in der Posteraktionswoche auf Din A4 aufblasen und hängt sich damit seine Bude voll.

Spätestens jetzt reicht die Alte vom Rostschrauber die Scheidung ein, is ihm aber egal, er hat ja die Chromtussi inner Garage. Nach drei Wochen wird’s ihm zu langweilig ewig auf die unscharfen Fotos seiner DKW zuglotzen, dann fängt der Kriech gegen die Rostmilben von vorne an. Nu abers was noch schwereres, auf der Veterama zieht er sich ne original Zementplatte aus den 40er Jahren mit nem Ölfleck vonner 850 Zündapp drauf, für schlappe 12 000 Maak. In zehn Jahren wird er aus den zwei Kubikmillimeter Viertaktsperma die komplette Maschine restauriert haben. Nur bei den Gedanken , wieviel Stunden er dabei in der muffigen Garage auffn Knien rutschen kann, drückt sich ihm schon die Prostata leicht zusammen. Der echte Klassiker-Fan ist noch nie Motorrad gefahn, darum geht’s ihn auch garnicht. Er kämpft mit allen Mitteln gegen die Vergänglichkeit, wenn er irgendwo nen Haufen Pudenkacke sieht restauriert er daraus in zwei Jahren wieder ne Dose Schappi.


Autor: Dietmar Wischmeyer / FRÜHSTYXRADIO